Beobachtungsnacht mit 18 Zoll am Kalvarienberg

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Etz´red i!
Peter Maier ist in der Nutzergruppe 'Moderatoren'
Liebe Deep Sky Freunde,

nach einer leichten Störung am Freitag hatten wir die letzte Nacht wieder einen wunderbar klaren Himmel.
Zudem bekam ich Gelegenheit, diese Nacht visuell mit einem erstklassigen 18" Nauris Mirrage Dobson mit ServoCat Goto eine sehr spannende Objektliste abzuarbeiten. :-)

Der Standort am Kalvarienberg in Pobenhausen hat im Schnitt annähernd gleiche Bedingungen wie der Osterberg bei Pfünz (BTM Standort) und bietet daher einen guten alternativen Beobachtungsplatz für Sternfreunde südlich von Ingolstadt a.d. Donau.



Beobachtungsplatz: Kalvarienberg bei Pobenhausen, südl. von Ingolstadt (Oberbayern)
25.04.2020, 22:30 Uhr (Ende astronom. Dämmerung) bis ca. 2:30 Uhr
SQM-L Messung: 21,12 mag/arcsec² (Durchschnittswert aus 8 Messungen) um 23:45 Uhr bei 9°C Außentemperatur
Visuelle Grenzgrößenschätzung: 6+ mag (Zähldreieck Ursa Major)
Seeing: II

Instrument: Nauris "Mirrage" 18" f/4,5 mit ServoCat Goto (siehe auch nauris dobson - mirrage)
Diverse TeleVue Okulare: Nagler, Delos, Ethos zwischen 31mm und 4,5mm
Skytools 4 (Software Atlas)

Zwei halbwegs fitte Augen.

Info vorab:
Im nachfolgenden Beobachtungsbericht füge ich meinen Beschreibungen teils Links mit Zeichnungen bei. Diese Zeichnungen stammen i.d.R. von Uwe Glahn dienen lediglich der weiterführenden Information, was unter perfekten Bedingungen und teils auch mit noch größeren Öffnungen visuell bei diesen Objekten möglich ist! Selbst habe ich in dieser Nacht nur sehr grobe Skizzen, dafür ausführlichere Notizen gemacht.

Gleich zu Beginn ging es schon richtig "in die Kartoffeln" mit dem anspruchsvollen Planetarischen Nebel NGC 2242 im Fuhrmann, bevor dieses Objekt für eine sinnvolle Beobachtung zu tief sank.
Mit rund 15 mag visueller Helligkeit ist es angeblich das optisch schwächste Objekt des NGC Katalogs. Tatsächlich zeigten sich im 18" Dobson bei ca. 200x (10mm Delos) lediglich indirekt ein kompakteres, lichtschwaches, sehr diffuses und nahezu homogenes Scheibchen. Ein Ring bzw. Helligkeitsabfall zum Zentrum war nur mit sehr gutem Willen zu erahnen, dafür war aber die ovale Form sehr leicht erkennbar. Einen Zentralstern konnte ich nicht erkennen. Mit knapp 40° Höhe über leicht aufgehelltem Nordwest-Horizont konnte man hier aber in dieser Nacht wohl keine Wunder erwarten.
Zeichnung: NGC 2242

Es folgte ein Schwenk in den kleinen Löwen, der jetzt perfekt hoch im Süden stand, u.a. zu dem spannenden, wechselwirkenden Galaxienpaar NGC 3395 / 3396, auch Arp 270 genannt.
"Arp" steht für Atlas of Peculiar Galaxies ("Atlas sonderbarer Galaxien", siehe auch online Datenbank: http://ned.ipac.caltech.edu/level5/Arp/Arp_contents.html) und listet insgesamt 338 besondere Einzelgalaxien, aber auch wechselwirkende Gruppen sowie größere Haufen.
Das relativ gute Seeing erlaubte hier höhere Vergrößerungen - und diese sind auch nötig, um dem Paar einiges an Details zu entlocken. Dank der Nachführung konnte ich auch bei 440x (4,5mm Delos) noch sehr entspannt beobachten. Beide Galaxienkerne zeigten sich hell, klar getrennt, länglich und ca. 90° zueinander orientiert, wobei der linke ein stellares Zentrum zeigte und kompakter sowie leicht heller wirkte (11,8 mag) als der rechte (NGC 3396, ca. 12 mag). Zentrum der links stehenden NGC3395 wirkte länglich oder oben leicht "angeschnitten". Zudem schien sie sich indirekt nach links oben vom Kern leicht fortzusetzen. Indirekt konnte ich auch bei der rechten NGC 3396 Ansätze eines gekrümmten Ausläufers nach rechts unten erkennen.
Link: http://arp.schoenball.de/gruppen.htm#270
Link: http://ned.ipac.caltech.edu/level5/Arp/Figures/big_arp270.jpeg
Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Arp_270

In unmittelbarer Nähe zu Arp 270 steht eine weitere Galaxie, die ich noch nie vorher gesehen habe und zu der es auch sonst nicht sehr viele Beschreibungen zu geben scheint: IC 2604.
Außer einem rundlichen, strukturlosen Nebelfleckchen war hier nicht viel erkennbar. Für eine 14,2 mag Galaxie Markant ist ein kleines Sternchen in umittelbarer Nähe links zur Galaxie. Das Objekt wurde als "gesehen" abgehakt. :-)

Das darauf folgende Galaxie-Trio "Holm 218", bestehend aus NGC 3413, NGC 3424 und NGC 3430 belohnte dafür umso mehr mit einem recht hübschen Anblick. Mit visuellen Helligkeiten zwischen 11,5 und leicht über 12 mag wirkten alle drei Galaxien vergleichsweise sehr hell. Von rechts nach links im Okulargesichtsfeld zeigte sich NGC 3430 als größte und hellste (11,5 mag) Galaxie. Innerhalb ihrer ovalen Form erschien sie leicht gemottelt, d.h. leicht strukturiert, allerdings ohne klare Definition einer Spiral-Richtung. Interessante Hintergrundinformation an dieser Stelle ist auch, dass NGC 3430 offiziell als Mitglied der 11 Galaxien zählenden Gruppe um NGC 3396 (siehe wechselwirkendes Paar oben) gezählt wird.
In kleinerem Abstand dazu steht links NGC 3424 als deutlich längliche, etwa 90 Grad zu NGC 3430 ausgerichtete Galaxie. Auffällig waren hier zwei schwächere Sternchen in unmittelbarer Nähe um den schwach stellar erscheinenden Kern. In etwa dem doppelten Abstand zwischen NGC3430 und NGC 3424 steht noch weiter links schließlich die dritte Galaxie NGC 3413. Sie ist zwar kleiner als NGC 3424 und von ähnlicher Gestalt, aber trotzdem nicht weniger hell.
Insgesamt eine schöne Gruppe, die sicherlich auch mit kleineren Öffnungen visuell beobachtbar ist.
Link: https://de.wikipedia.org/wiki/NGC_3430

Gegen 23:30 Uhr führte der Weg schließlich zu NGC 3432, einer recht langezogenen Galaxie, ebenfalls im kleinen Löwen. Auffällig waren ein Stern oberhalb des Zentrum und zwei Sterne senkrecht links übereinander, zwischen denen sich die Galaxie ungefähr erstreckte. Über die Länge der Galaxie konnte ich diverse, aber nicht näher definierbare Helligkeitsabfälle wahrnehmen. Die in Skytools 4 angezeigte, nahestehende Galaxie MCG 6-24-27 konnte visuell nicht gesehen werden.

Vom kleinen Löwen ging es jetzt in die Jagdhunden zu NGC 4395, eine sehr großflächige Galaxie vom Typ Balkenspirale, die sich allerdings so schwach zeigte, dass man leicht darüber hinwegschwenken und sie übersehen konnte. Mit etwas Geduld offenbarten sich langsam zwei oder mehr kleinere "Wölkchen" über die gesamte Fläche, die wohl auf die vorhandenen, sichtbaren HII Regionen (jeweils eigene NGC Nummern…) schließen lassen. Im 17mm Ethos erschien sie schön formatfüllend und erinnerte leicht an M33, die bereits bei nur leicht aufgehelltem Himmelshintergrund schnell unterzugehen droht. Da es zu mühsam und langwierig erschien, aus diesem "Wölkchen"-Puzzle ein Gesamtbild zu konstruieren und die Objektliste noch mehr zu bieten hatte, endete die Beobachtung an dieser Stelle.
Wahrscheinlich ist dieses Galaxie ein sehr lohnendes und detailreiches Objekt an perfekt dunklen Standorten (Alpenhimmel).
Link: https://de.wikipedia.org/wiki/NGC_4395
Link: http://deepsky-visuell.de/Zeichnungen/NGC4395.htm

Danach war wieder eine spannende Dreier-Gruppe an der Reihe: Arp 34, bestehend aus NGC 4613, NGC 4614 und NGC 4615. Letztere bildet die größte und interessanteste Galaxie in der Gruppe (13,1 mag): Indirekt erschien hier in der länglich-ovalen Galaxie zwar nur zeitweise, aber doch eindeutig eine langgezogene, S-förmige Krümmung (gespiegeltes "S" im Teleskop) über die gesamte große Achse der Galaxie, welche unmissverständlich auf die sichtbare Spiralstruktur hindeutete. Die zweitgrößte Galaxie der Gruppe, NGC 4614, wirkte oval und trotz der angegebenen 13,4 mag etwas heller, was vermutlich an dem stellar erscheinenden Kern lag. NGC 4615 mit ebenfalls 13,1 mag erschien dagegen nur schwach und weniger interessant. Keine besonderen Details oder Auffälligkeiten.
Link: https://de.wikipedia.org/wiki/NGC_4615
Link: http://arp.schoenball.de/spiralen.htm#34
Link: http://ned.ipac.caltech.edu/level5/Arp/Figures/big_arp34.jpeg

Nächstes Ziel waren gegen 0:30 Uhr die "Mäuse" NGC 4676 (NGC 4676 A/B oder auch IC 819/20) im Haar der Berenike (Coma Berenices), eines wirklich besonderes Galaxienpaar, dass eine ausgiebigere Beobachtung wert ist!
Zwar wirkt diese Gruppe zunächst recht schwach, jedoch waren beide nah beieinanderliegenden, etwa 45 Grad zueinander orientierten Kerne, leicht erkennbar. Der obere Kern erschien minimal heller. Mit etwas Ruhe und Geduld zeigt sich langsam, aber sicher dann ein weit ausladender Gezeitenschweif, der vom unteren (nördlichen) Kern weiter nach unten ausläuft. Zwar nur indirekt natürlich, aber eindeutig. Die Länge schätzte ich auf mind. die doppelte Länge des Kerns. Beim oberen (südlichen) Kern glaubte ich zeitweise ebenfalls rechts oben einen Schweif im Ansatz zu erahnen und machte dazu eine grobe Skizze. Diese werde ich bei Gelegenheit nochmal verifizieren…
Mit visuellen Helligkeiten von nur 13,5 bis 13,8 mag zählt dieses Paar aber definitiv zu den Deep Sky Herausforderungen! Perfekte Dunkeladaption und ein dunkler Himmel (mind. 6 mag) sind hier Grundvoraussetzung.

Link: https://de.wikipedia.org/wiki/NGC_4676
Link: http://deepsky-visuell.de/Zeichnungen/NGC4676.htm
Link: http://deepsky-visuell.de/Projekte/DS_Herausforderungen.htm#Galaxien

Weiter im selben Sternbild ging es noch zu NGC 4559, einer sehr großen, detaillreichen Galaxie, die auf den ersten Blick wie ein irregulär geformter Gasnebel erschien. Durch die Art, wie die Galaxie im Okulargesichtsfeld rotiert war und aufgrund der drei markanten Sterne, die nahe oberhalb des Zentrums standen und wie "Fingerkuppen" wirkten, erinnerte mich die Form insgesamt an eine Hand (eine dreifingerige Faultierhand z.B. ;-), deren Finger die Sterne und Zentrum die Handfläche bildeten. Nach unten schien sich der "Arm" in Form eines länglichen Verlaufs fortzusetzen… Zudem erkannte ich wenigstens einen Knoten zwischen Zentrum und dem rechten "Finger"-Stern.
Definitiv ein lohnendes Objekt, das aber mehr Zeit für die Detailbeobachtung braucht! Interessant für Zeichner.
Link: http://deepsky-visuell.de/Zeichnungen/NGC4559.htm
Link: https://de.wikipedia.org/wiki/NGC_4559

Gegen 00:45 Uhr kündigte sich im Osten und Süden so langsam der Sommerhimmel an. Vor Herkules kam vor allem der Bärenhüter mit Arktur nun auf eine beachtliche Höhe.
Zeit für eine weitere, mir noch nicht bekannte Galaxie der "superdünnen" Art (superthin): NGC 5529 mit 11,9 mag.
Indirekt zeigte sich deutlich ein Staubband bzw. härtere "Kante" im Okular rechts des Zentrums bzw. der Bulge, die bzgl. der sichtbaren Länge der Galaxie auch leicht verschoben wirkte. Eine spezielle Herausforderung boten die zwei, in unmittelbarer Nähe stehende Hintergrundgalaxien MCG 6-31-87 (15,6 mag) und LEDA 2076761 (15,7 mag), die dank der exakten Positionsangabe in Skytools 4 auch indirekt wahrgenommen werden konnten. MCG 6-31-87 konnte nach kurzer Zeit indirekt und dauerhaft gehalten werden. Die weiter entfernte LEDA Galaxie war etwas schwieriger und leicht größer.
Link: http://deepsky-visuell.de/Zeichnungen/NGC5529.htm
Link: https://de.wikipedia.org/wiki/NGC_5529

Abschließend folgten noch zum Ausklingen zwei schöne helle M-Objekte:
Der feine Kugelsternhaufen M92 im Herkules, der aufgrund seiner Nähe zu M13 viel zu wenig Beachtung findet, und bei 440x einen wirklich atemberaubenden Anblick bietet: Die Sterne erscheinen aufgelöst bis ins Zentrum hinein, das zeitweise perfekte Seeing liess die Sterne im Zentrum zu statischen, fein granulierten Flächen verschmelzen.
Und schließlich noch der Ringnebel M57 in der Leier, der indirekt seinen Zentralstern zeigte.

Als das Teleskop schon abgebaut war, gab es noch einen kurzen Blick auf Nordamerikanebel im Schwan sowie Lagunennebel, Trifidnebel, M24, Omeganebel und Adlernebel mit Fernglas und aufgesetzten 2" OIII Nebel-Filtern.
Besonders die Nebel im Schützen springen darauf sehr stark an! Unbedingt mal ausprobieren, wer dazu kommt.


Schöne Grüße und klaren Himmel,

Peter Maier
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